Ergänzung
Wolfgang Bunzel: Freimund von Arnim
Der am 5. Mai 1812 zur Welt gekommene Johannes Freimund war das erste Kind des Ehepaares Bettine und Achim von Arnim. Seine Geburt hatte eine wichtige Bedeutung für die materielle Situation der Arnims, weil ihm auf Grund des Testaments von Achims Großmutter automatisch die Rolle des Generalerben zufiel. Caroline von Labes hatte nämlich in ihrem letzten Willen die Einrichtung eines sog. Fideikommiß verfügt, das besagte, dass das vorhandene Geldvermögen von ihren beiden Enkeln Achim und Carl Otto nicht angetastet werden dürfe, sondern für deren eheliche Kinder treuhänderisch verwaltet werden müsse, bis diese volljährig sind. Die Ländereien wiederum, die sich im Besitz der Familie befanden, durften – so legte es die testamentarische Verfügung fest – zwar bewirtschaftet, nicht aber veräußert werden.
Als Anfang 1831 Achim von Arnim starb, erbten die sieben Kinder seinen Anteil am Bärwalder Fideikommiß. Man einigte sich darauf, dass Freimund als der Älteste die Agrarökonomie erlernen und Bärwalde bewirtschaften sollte. Wann er damit begann, geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor. Vermutlich ist seine Volljährigkeit im Jahr 1837 das entscheidende Datum dafür. Jedenfalls lernte er, angeleitet durch einen Verwalter, ein Landgut zu führen und erkannte schon bald diese Aufgabe als sein Lebensziel. Nach Auskunft seiner Schwester Maximiliane fungierte er ab „jetzt [...] [als] das Haupt der Familie“ (Johannes Werner: Maxe von Arnim. Tochter Bettinas / Gräfin Oriola 1818–1894. Ein Lebens- und Zeitbild aus alten Quellen geschöpft. Leipzig 1937, S. 52)
Freimund von Arnim ging in seiner Tätigkeit als Gutsbesitzer auf und kümmerte sich intensiv um die landwirtschaftlichen Belange – erst von Bärwalde, dann von Wiepersdorf: darunter Viehzucht, Jagd sowie Anbau und Ernte von Getreide, Obst, Gemüse. Unterbrechungen ergaben sich nur durch gelegentliche Reisen nach Frankfurt und Berlin. 1845 dann verkaufte der Onkel Carl Otto von Arnim seinen Anteil am Ländchen Bärwalde an seinen Neffen, so dass Freimund nunmehr insgesamt 7/12 des Gutes besaß (je 1/12 gehörte den übrigen fünf Geschwistern) und damit Mehrheitseigner war. Im selben Jahr wurde das Ritterschloss Bärwalde durch einen Brand so stark beschädigt, dass es nicht weiter zu bewohnen war. Die Familie von Arnim konnte erreichen, dass der bisherige Pächter das Wiepersdorfer Anwesen räumte, welches nun der neue Wohnsitz Freimunds werden sollte. Gemeinsam mit ihrer jüngsten Tochter Gisela richtete Bettine von Arnim im Herbst 1845 das Herrenhaus von Wiepersdorf wohnlich ein.
Mit Gutsverwaltung und Familienangelegenheiten beschäftigt konnte Freimund sich lange nicht dazu entscheiden, nach einer Frau Ausschau zu halten, zumal ihm die Geselligkeiten Berlins eher unangenehm waren und er sich von seinen kurzen Besuchen zumeist, wie einst sein Vater, so schnell wie möglich wieder nach Wiepersdorf zurückzog. Kurz vor Weihnachten 1846 verlobte er sich auf einer Besuchsreise zu Familienangehörigen überraschend mit der zwölf Jahre jüngeren Anna von Baumbach. Ende Mai 1847 fand dann im engsten Kreis die Trauung in Nentershausen, dem Sitz der Baumbachs, statt; von Seiten der Arnims nahm auf Freimunds Wunsch einzig seine Lieblingsschwester Armgart teil. Sechs Tage nach Ausbruch der Revolution, am 24. März 1848, wurde ihr einziger Sohn geboren, der zu Ehren von Freimunds Vater den Namen Achim erhielt. Nur ein dreiviertel Jahr später starb Anna von Baumbach und hinterließ einen verzweifelten Freimund von Arnim.
Doch bald schon wurde die Trauer um die früh verlorene Ehefrau von dem Bedürfnis überlagert, dem gemeinsamen Sohn wieder eine Familie in Wiepersdorf zu geben, ein Unterfangen, das sich nur durch eine neue Heirat verwirklichen ließ. Im Juni 1851 hielt Freimund um die Hand seiner Cousine Claudine an, und knapp ein Jahr später heirateten beide. Doch schon Ende der fünfziger Jahre begann Freimund von Arnim zu kränkeln. Nach und nach übertrug er seiner zweiten Frau neben der Erziehung Achims zunehmend auch Aufgaben der Gutsverwaltung in Wiepersdorf. Im Herbst des Folgejahres verschlechterte sich Freimunds Zustand dann so drastisch, dass Claudine mit dem Kranken der besseren ärztlichen Versorgung wegen nach Frankfurt am Main übersiedelte. Dort starb der lebenslang an Epilepsie Leidende am 2. März 1863 an den Folgen seines letzten Schlaganfalles.
Prof. Dr. Wolfgang Bunzel, geb. 1960, leitet die Abteilung Romantik-Forschung im Frankfurter Goethe-Haus/Freies Deutsches Hochstift. Daneben lehrt er Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. und ist seit Mitte 2014 einer der beiden Geschäftsführer der Trägergesellschaft Brentano-Haus Oestrich-Winkel gemeinnützige GmbH. Sein Hauptforschungsgebiet ist die Literatur der deutschen Romantik. Seit vielen Jahren gibt er das Internationale Jahrbuch der Bettina-von-Arnim-Gesellschaft mit heraus. 2009 hat er im Freien Deutschen Hochstift anlässlich des 200. Todestages eine Ausstellung über Bettine von Arnim kuratiert, die in Teilen auch in Wiepersdorf zu sehen war. Von ihm stammen außerdem zahlreiche Editionen sowie Buch- und Aufsatzpublikationen zur romantischen Literatur, vor allem zu Bettine von Arnim.