Ergänzung
Petra Heymach: Achim von Arnim-Bärwalde
Im Revolutionsjahr 1848 kündigt der erstgeborene Sohn von Achim und Bettina von Arnim, Freimund, jubelnd – und mit einem Augenzwinkern – seiner Mutter den ersten Enkel an: Einen „jungen Cravaller …, der ein paar ungeheure Feuste hat!“ Doch die Freude über den ersten in Wiepersdorf geborenen Arnim-Sproß währt nicht lange. Seine junge Mutter Anna, eine geborene von Baumbach, stirbt bereits ein Dreivierteljahr nach seiner Geburt. Zudem kommt der kleine Achim mit einem Geburtsfehler, einem sog. Klumpfuß, auf die Welt. Erst als er vierjährig ist, heiratet sein Vater ein zweites Mal – und zwar seine acht Jahre ältere Cousine Claudine, geborene Brentano. Sie bringt sehr viel Verständnis und Zuneigung für Achim auf, widmet sich seiner Erziehung sowie der aufwendigen medizinischen Versorgung seines kranken Beines. Später besorgt sie ihm als Privatlehrer einen Pfarrkandidaten aus Württemberg, der ihm auch den ersten Zeichenunterricht erteilt. Bereits in Wiepersdorf entwickelt Achim eine höchst kreative und künstlerische Art, sich selbst zu beschäftigen. Er malt, zeichnet, entwirft Schmuckstücke aus Papier und führt Theater- und Zirkusstückchen auf. Schon bei der Planung, schreibt Claudine, empfindet er „tagelang Glückseligkeit“.
Dieses völlig auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Leben endet jäh, als er auf die staatliche Schule in Frankfurt am Main vorbereitet wird. Dort ist Achim eingebunden in den Familienkreis der Brentano-Verwandten – mit seiner Etikette, seinen Verpflichtungen und einem streng durchgetakteten Schulleben. Dennoch versucht er dort, Theater- und Ausstellungsbesuche in seinen Alltag zu integrieren. Die Korrespondenz mit seiner Mutter aber verrät, wie sehr er sich nach seiner Heimat Wiepersdorf und noch mehr nach ihr sehnt. Als Achim 15 Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Der Bruder seines Vaters, Siegmund von Arnim, wird nun sein Vormund. Mutter und Onkel wünschen, dass der angehende Gutsherr und Landwirt sich in Buchführung und kaufmännischem Rechnen unterweisen lässt. Einen knappen Monat nach erfolgreich beendeter Schullaufbahn schreibt er sich mit 19 Jahren als Jurastudent in Berlin ein und wird nach bestandener Prüfung 1870 zum Kammergerichts-Referendar ernannt.
Innerlich kämpft er jedoch mit ganz anderen Neigungen. Daher verzichtet er auf das zweite juristische Staatsexamen und immatrikuliert sich nur vier Monate später an der Philologischen Fakultät der Königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin für das Studium der Geschichte und Kunstgeschichte. Nach zwei Semestern bricht er auch dieses Studium ab und liefert seiner Mutter nach heftigen inneren Kämpfen die Begründung: „Dies ist nun schon der sechste Brief, den ich anfange, um Dir, mein Herzens Mütterchen zu sagen […], daß ich endlich die Wahl meines Lebensberufes getroffen habe – daß ich Maler werden möchte!“ (Brief vom 18.5.1871)
Ein Jahr darauf geht er nach München und schreibt sich in einer der deutschlandweit bedeutendsten Akademien der Bildenden Künste bei dem prominenten Historienmaler Carl Theodor von Piloty (1826–1886) ein, dessen Meisterschüler er wird. Später wird er sich von der Historienmalerei lösen und einen Genrewechsel zur Portrait- und Landschaftsmalerei vollziehen.
Im Alter von 27 Jahren beginnt Achim wie so viele Künstler, regelmäßig Italien zu besuchen. 9 Italienreisen in nur 14 Jahren sind überliefert. In dieser Zeit durchkämmt er den gesamten italienischen Stiefel und hält sich mitunter bis zu einem halben Jahr dort auf. Und warum? Schloss Wiepersdorf, so wie es sich heute präsentiert – mit seiner barocken Überformung, der vorgelagerten Terrasse, der Gartenanlage mit den Skulpturen und tönernen Vasen – gibt eine beeindruckende Antwort auf diese Frage. Die architektonischen Pläne für die Umgestaltung seines Anwesens zeichnet Achim häufig selbst. Sein Vetter Moritz von Baumbach, der die Wiepersdorfer Güter verwaltet und den er von Italien aus mit der Umsetzung seiner Pläne betraut, bittet ihn mehrmals, reichlich überfordert, doch nach Wiepersdorf zurückzukehren. Aber Achim kauft in großem Stil ein: so etwa auf seiner letzten Reise im Jahr 1889 10 Statuen und 4 Vasen für 6000 Mark, die alle fachmännisch verpackt nach Wiepersdorf verschickt werden und heute im Schlosspark stehen.
Völlig zurückgezogen stirbt Achim von Arnim-Bärwalde 1891 im 43. Lebensjahr an den Folgen einer Lungenentzündung in Wiepersdorf. In seinem kurzen Leben hat er den Stammsitz seines Großvaters Achim von Arnim vom schlichten Herrensitz in ein Anwesen mit schlossartigem Charakter verwandelt. Die Umsetzung seiner letzten Pläne hat er nicht mehr erlebt, das heutige Wiepersdorf hat er so nie gesehen. Aber er hat gegen Widerstände und Schwierigkeiten seine Träume als Maler und Gestalter von Wiepersdorf verwirklicht.
Petra Heymach, geboren 1951 in Biedenkopf/Hessen, arbeitete nach einem Studium der Sonderpädagogik und der Psychologie als Lehrerin mit dem „Förderschwerpunkt Sprache“ an einer Schule in Berlin/Kreuzberg. Ihr Interesse an Bettina von Arnim und ihrer Familie begann im 18. Lebensjahr. Zunächst näherte sie sich dem Thema mit Szenischen Lesungen wie Goethes leidige Bremse, Szenen einer Ehe (Literaturhaus Berlin) und diversen Vorträgen wie Bettina, eine Revolutionärin? Ab 1989 widmete sie sich gezielt der Familienforschung und recherchierte in den Archiven der (ehemaligen) DDR. 1992 erfolgte eine erste Ausstellung, Vom Familiensitz zum DDR-Künstlerheim Bettina von Arnim auf Schloss Homburg (Nordrhein-Westfalen). Ab 2000 begann eine intensive Recherche über den Maler Achim von Arnim-Bärwalde für eine Tagung auf Schloss Wiepersdorf 2001 mit dem Beitrag Ein Cravaller mit großen Feusten. Es folgten an der UdK eine Ausbildung zur Ausstellungskuratorin 2014 sowie diverse Weiterbildungen 2016 zum Thema. Von Mai bis Juli 2015 kuratierte sie die zweite Ausstellung auf Schloss Wiepersdorf über Leben und Werk der Malerin Bettina Encke von Arnim mit dem Begleitbuch Die Malerei ist mein ganzes Glück.