Kosmos Wiepersdorf

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Station 8: Gegabelte Eiche
© Dirk Bleicker

Station 8
Gegabelte Eiche

Enteignung und Umverteilung: Von der Bodenreform zur Deutschen Dichterstiftung

Als die Rote Armee im Frühjahr 1945 den Niederen Fläming besetzte, bot sich Schloss Wiepersdorf als repräsentativer Sitz der sowjetischen Kommandantur an. Soldaten lebten hier zusammen mit Flüchtlingen und Umsiedlern, mit Gänsen und Schweinen. Der Hühnerstall lag gleich neben der Kirche. Die Landwirtschaft der Wiepersdorfer Güter mit mehr als 500 Hektar Land war immer noch Garant des Überlebens. Diese Größenordnung führte entsprechend dem Reglement der Besatzungsmacht zur Enteignung. In der sogenannten „demokratischen Bodenreform“, die zwischen 1945 und 1948 in der Sowjetischen Besatzungszone stattfand, verloren alle Besitzer von mehr als 100 Hektar Landfläche ihr Eigentum. Dieses Land sollte landarmen oder landlosen Kleinbauern und Umsiedlern zugutekommen. Die Maßnahmen zur entschädigungslosen Enteignung trafen gleichermaßen solche Grundbesitzer, die Parteigänger der Nationalsozialisten waren, und solche, die es nicht waren – wie die Arnim-Familie in Wiepersdorf.

In ihrer Berliner Wohnung wie auch auf Schloss Wiepersdorf boten Bettina Encke von Arnim, Urenkelin von Bettina und Achim, sowie ihr Mann, der nach Hitlers Machtübernahme zwangspensionierte Polizeioffizier Walther Encke, Nazi-Gegnern Schutz vor Verfolgung. Oft handelte es sich um Freunde und Bekannte aus dem Umfeld des liberalen Gesprächskreises, den sie in Berlin unterhielten und der den Nazis ein Dorn im Auge war. Dennoch galt Bettina Encke von Arnim, die in den 1930er und 1940er Jahren nach dem Tod ihres Mannes mit ihrer Mutter Agnes, ihren Schwestern und Töchtern Schloss Wiepersdorf bewohnte, der Bevölkerung als „die Baronesse“, als Vertreterin der alten Gutsherrschaft. Sie musste mit ansehen, wie das Schloss durch Besatzung und Einquartierungen zerstört wurde, wie „literarisch wertvolle Briefe“ „zum Feuermachen“ dienten. Kurzzeitig wurde sie während der Auseinandersetzungen um die Aufteilung der Arnimschen Güter sogar in Luckenwalde inhaftiert. In einer widersprüchlichen Situation, in der ihr als Neusiedlerin ein kleiner Teil des Landes zugewiesen wurde, das ihrem Bruder bei den Enteignungen genommen worden war, versuchte sie, zumindest die kulturellen Werte zu sichern – da der private Familienbesitz ohnehin nicht zu retten war. Bettina Encke von Arnim, selbst Malerin, ist es maßgeblich zu verdanken, dass Schloss Wiepersdorf zum Künstlerhaus wurde.

Eine große Hilfe war dabei der ehemalige Reichstagsabgeordnete Iwan Katz. Katz, als kommunistischer Jude von den Nazis verfolgt, aber als Teilnehmer des Berliner Gesprächskreises mit den von Arnims befreundet und von ihnen geschützt, arbeitete nach dem Krieg wenige Jahre im Berliner Magistrat. Von dort aus unterstützte er Bettina Encke von Arnim in ihrem Vorhaben, eine kulturelle Nutzung von Schloss Wiepersdorf in die Wege zu leiten. Tatsächlich wurde das Schloss samt Orangerie und Park 1946 von einer eigens gegründeten Deutschen Dichterstiftung übernommen, 1953 ging die Trägerschaft auf den Schriftstellerverband der DDR über. Bettina Encke von Arnim aber wurde durch die politischen Entwicklungen der Aufenthalt unmöglich gemacht. 1947 verließ sie die Sowjetische Besatzungszone. Sie lebte bis zu ihrem Tod 1971 größtenteils in Überlingen am Bodensee. Auf dem Wiepersdorfer Familienfriedhof der Arnims erinnert ein Gedenkstein an sie, und auch ihr Mann ist dort begraben.

Während die von Arnims Wiepersdorf verlassen, zieht ein neuer Geist ins Schloss ein. Zur wichtigsten literarischen Stimme des ersten Nachkriegsjahrzehnts wird Anna Seghers, jüdisch-kommunistische Antifaschistin, Rückkehrerin aus dem Exil in Mexiko und bedeutende Autorin. Seghers gefällt die „einfache, gänzlich unpathetische Schönheit“ des Schlosses. In den 1950er Jahren ist ein Zimmer in Wiepersdorf dauerhaft für sie reserviert. Doch es gab mehrere Öffentlichkeiten in Wiepersdorf – das Schloss und das Dorf. Mehr zu diesem Verhältnis erfahren Sie an der nächsten Station, die sich an der Orangerie befindet.